Was ist eigentlich ein Teataster? Nadja Fanari vom Demmers Teehaus hat sich auf die Suche gemacht und ist in Sri Lanka fündig geworden. Viele Fragen und noch mehr Antworten – geballtes Teewissen direkt importiert aus Asien!
Interview mit Amitha Wijesekera von der Tea Select (PVT) LTD. Er ist Teehändler und seit über 35 Jahren in der Branche tätig, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Angefangen hat er als Broker für unterschiedliche Teegärten, war danach Auktionsführer und ist jetzt Ein- und Verkäufer auf der Teebörse in Colombo.
Sie arbeiten als Teehändler in Colombo – wie schaut ein typischer Arbeitstag aus?
Ich verkoste viel Tee und versuche gute Qualitäten für meine Kunden zu bekommen. Einmal pro Woche bin ich auf der Tee-Börse und hoffe, die ausgewählten Sorten zu einem adäquaten Preis zu bekommen.
Werden alle Tees über die Auktion verkauft?
Alle Tees, die ins Ausland exportiert werden. Die Teefabriken produzieren Tee und behalten meist eine bestimmte Menge für den Eigenbedarf oder den Verkauf im Land. Aber der Rest der exportiert wird, muss über die Auktion verkauft werden. Sonst bekommt man keine Zollpapiere und kann den Tee nicht ausführen. In Sri Lanka ist es mengenmäßig die größte Auktion weltweit. Auch in Indien, Kenia oder Indonesien wird Tee über die Börse verkauft, aber dort ist es, soweit ich weiß, kein Muss, wenn exportiert wird.
Es findet jede Woche eine Auktion statt?
Es gibt 50 Auktionen im Jahr – nur zu Weihnachten und Silvester ist die Börse zu, da sind Feiertage. (Anmerkung: hier ist Silvester nach dem singhalesischen Kalender, also am 14. April gemeint. Da ich zu dieser Zeit dort war, hatte ich leider keine Gelegenheit an einer Auktion teilzunehmen)
Zu Weihnachten ist geschlossen? Feiern Sie denn Weihnachten?
Ich persönlich schon, meine Frau ist Katholikin und ich bin Buddhist. Aber wir Singhalesen sind immer dabei, wenn gefeiert wird (lacht). Daher findet zu Weihnachten auch keine Auktion statt. Wir haben sogar einen Weihnachtsbaum – aber nicht dass Sie jetzt denken, wir schmücken eine Palme (lacht) – meine Frau und ich haben einen richtigen Baum im Internet bestellt. Aus England. Den packen wir jedes Jahr aus dem Karton aus.
Wie viel Tee kaufen Sie wöchentlich bei einer Auktion?
Meistens zwischen 10 und 20 Tonnen, je nachdem was meine Kunden bestellt haben. Ich kaufe nur auf Anfrage. Also wenn ich eine Bestellung von einem Kunden erhalte, versuche ich die passende Qualität auszusuchen und einzukaufen.
Worauf achten Sie beim Einkauf?
Am wichtigsten ist die Qualität. Ich habe langjährige Kunden und weiß schon genau, welchen Geschmack und Qualität gewünscht ist und danach wähle ich die Tees aus dem Katalog aus. Und hoffe, den Zuschlag zu erhalten.
Sie wählen die Tees aus einem Katalog aus? Wie muss man sich den Ablauf vorstellen?
Naja, es gibt einen Auktionskatalog mit ca. 700 verschiedenen Teegärten und da erhalte ich Muster, die ich verkoste. Wenn mir ein Muster zusagt, markiere ich es im Katalog und biete bei der Auktion mit. Ich habe schon im Vorhinein eine Preisvorstellung und wenn ich überboten werde, muss ich leider aussteigen.
Wie viele Tees verkosten Sie täglich?
Es kommt darauf an, aber meistens sind es ca. 200 verschiedene Tees. Ich habe 4 Angestellt und 2 davon sind nur für das Herrichten der Verkostungen zuständig.
Wirklich, das nimmt so viel Arbeit in Anspruch?
Ja, es ist sehr wichtig, dass die Tees unter gleichen Bedingungen verkostet werden. Sie müssen eine bestimmte Temperatur haben und bei 200 Tees ist das schon ein organisatorischer Aufwand.
Wie werden die Tees aufgegossen?
Mit 110°C heißem Wasser und 5 Minuten Ziehzeit. Wir verwenden ca. 2 bis 3g Tee.
Es ist also wichtig 110°C heißes Wasser zu verwenden?
Ja, sehr wichtig. Aber beim Verkosten muss der Tee schon ein wenig abgekühlt sein, sonst ist er zu heiß.
Wie oft haben Sie sich schon die Zunge verbrannt?
(lacht) Sehr oft. Das kann ich gar nicht mehr zählen. Dann schimpfe ich immer mit meinen Angestellten.
Wenn Sie einen Tee einkaufen wollen, bieten Sie bei der Auktion. Wie muss man sich das vorstellen?
Sehr laut. Das erste Gebot muss man mündlich abgeben, also ruft man dem Auktionsführer einfach sein Gebot zu. Wenn man weiterhin mitbieten will, muss man dann nur noch die Hand heben.
Das hört sich sehr stressig an.
Ja, ist es. Besonders für den Auktionator. Ich habe das auch mal gemacht. Sehen Sie das? (er zeigt auf seinen Kopf, auf dem nur noch wenige Haare sind). Das habe ich davon. Man muss sehr gut hören und alles im Blick behalten. Es sind ca. 200 Personen, die bieten und da muss man ständig den Überblick behalten. Es geht alles sehr schnell.
Wie sind Sie zu dem Beruf gekommen?
Es war eigentlich ein Kindheitstraum. In den Ferien durfte ich zu einem Schulfreund mit aufs Land fahren. Sein Vater war der Manager einer Teefabrik und ich habe dort so eine schöne Zeit erlebt. Das hat mich geprägt und ich wusste sofort, dass ich etwas mit Tee machen möchte. Ich habe als Broker begonnen und dann auch Auktionen geleitet. Und heute bin ich seit 35 Jahren im Geschäft. Es gefällt mir immer noch sehr gut.
Welchen Tee trinken Sie am Liebsten?
(lacht) Kaffee. Ich trinke viel Kaffee. Aber ernsthaft, ich versuche keine Teesorte zu bevorzugen, daher trinke ich lieber Kaffee. Ich möchte nach dem Geschmack meiner Kunden einkaufen und versuche daher immer den richtigen Tee für den jeweiligen Markt zu finden. Wenn ich einen Lieblingstee hätte, dann würde ich vielleicht meine Kunden beeinflussen.
Dürfen Sie als Teataster Kaffee trinken?
Ja. Eigentlich sollte ein Teataster nicht rauchen, keinen Alkohol trinken, nichts scharfes Essen. Mein Ausbilder hat mir aber am Anfang meiner Laufbahn erklärt, dass es in Ordnung ist, wenn man diese Dinge macht, aber man darf seinen Lebensstil nicht ändern. Wenn man immer geraucht hat, dann muss man weiterrauchen, wenn man nicht raucht, darf man nicht anfangen. Die Geschmacksnerven im Mund haben sich an die Umstände gewöhnt und die Geschmacksveränderung durch das Nikotin oder den Alkohol gewöhnt. Wenn man allerdings den Lebensstil ändert, dann wird es schwierig. Ich persönlich rauche allerdings nicht. Trinke nur zum Genuss hin und wieder Alkohol und versuche sehr mild zu essen. Wenn ich etwas scharfes gegessen habe, werden an dem Tag keine Tees mehr verkostet.
Wo sitzen Ihre Kunden?
In Deutschland, Großbritannien und sehr viele in Japan.
Gibt es eine Teetradition in Sri Lanka?
Nicht so richtig. Hier sind die Trinkgewohnheiten so, dass der Tee kräftig und dunkel sein muss. Hauptsächlich werden Teebeutel verwendet, die mit Milch und Zucker in einem Topf gekocht werden. Der Großteil der Tee-Ernte wird exportiert, nur ein kleiner Teil bleibt im Land. Ca. 80% gehen ins Ausland. (Anmerkung: Sri Lanka ist der viert größte Tee-Produzent weltweit, nach China, Indien und Kenia und produziert ca. 300.000 Tonnen Tee pro Jahr)
Welche Teesorten werden in Sri Lanka produziert?
Der größte Teil ist Schwarzer Tee, aber es wird auch ein wenig Grüner und Weißer Tee hergestellt. Aber bekannt sind wir für die hochwertigen Schwarztees.
Gibt es auch Gartentees, wie zum Beispiel in Darjeeling?
Ja, aber nur wenige bzw. wenn es der Kunde verlangt. Meine japanischen Kunden kaufen vorrangig Gartentees oder aromatisierte Schwarze Tees. Aber es ist nicht so populär, wie in Darjeeling. Der Unterschied ist, dass in Sri Lanka das ganze Jahr geerntet werden kann. Wir haben unterschiedliche Anbaugebiete, in verschiedenen Höhenlagen und daher können wir viele Qualitätstees anbieten.
Gibt es keine Ruhephase während des Monsuns?
Nein, wir ernten das gesamte Jahr. Auch in der Regenzeit. Die Teepflanze benötigt viel Sonne, ausreichend Regen und keinen Frost. Wenn es viel regnet, wie während des Monsuns, dann speichert die Pflanze viel Wasser in den Blättern und wächst sehr schnell. Dieses gespeicherte Wasser muss dann während der Verarbeitung wieder entzogen werden, da leidet dann natürlich das Aroma und auch die Qualität. Außerhalb der Regenzeit, bei viel Sonne, wächst die Pflanze nur langsam und es kommt zu einer geringeren Erntemenge. Aber dafür zu einer sehr hohen Qualität. Daher werden in Sri Lanka zumeist Mischungen produziert. So können wir immer einen hohen und vor allem gleichbleibenden Standard bieten. Die Tees werden aus unterschiedlichen Ernten zusammen gemischt.